Weltmeisterschaft 2010 - Golden Shears

Neuseeland holt erneut Weltmeistertitel

Royal Welsh Show, 19.-22. Juli 2010
Das was sich alljährlich in dem kleinen Ort Builth Wells in der Region Powys über 4 Tage abspielt ist so etwas wie eine Mischung aus Nationalfeiertag und Ausnahmezustand. Die Royal Welsh Show ist wirklich ein Superlativ. Bis zu 250.000 Besucher strömen an den 4 Tagen in den kleinen Ort. Und viele bleiben. Im Umkreis von 10 Kilometern sieht man immer wieder mit Wohnwagen zugeparkte Wiesen. Busshuttle fahren den ganzen Tag. Auffällig ist, dass sich sehr viele junge Menschen für die Show und die Tierzucht interessieren. Auch wenn es die Kontaktbörse des Jahres ist, die meisten kommen in Gummistiefeln. Zuerst wundert man sich über die schick gekleideten Mädels in Top, sehr kurzen Hosen und eben Gummistiefeln. Nach vier Tagen dann fallen einem die Schuhträger auf. Und zum Walisischen Farmer gehört der Pickup mit angehängtem Viehanhänger offensichtlich genauso dazu wie das Gras zur immer grünen Wiese. Wales ist  Landwirtschaft und die Landwirtschaft ist Viehzucht. Ich habe einen Aussteller gefragt, wie viele Schafrassen denn insgesamt auf der Ausstellung seien. Er hat laut ausgeatmet und gesagt, dass er das nicht einmal schätzen kann. Sicher sind es über 50. Was er wußte ist, dass es über 3000 Ausstellungstiere sind. Nur die Schafe wohlgemerkt. Dazu kommen selbstverständlich Rinder, Schweine und natürlich Pferde. Allen voran die Welsh Ponys. Mit den über 1000 Händlern, die das weitläufige Messegelände füllen ist die Royal Welsh Show eine der größten Agrarmessen Europas und immer eine Reise wert.

Golden Shears
Wales hat mit 20.798 qkm nicht halb so viel Fläche wie das Bundesland Niedersachsen. Dennoch gibt es in Wales ca. 5 Millionen Schafe. Viele Farmersöhne gehen frühzeitig in die Scherschulen um zumindest in der Saison im eigenen Land (Mai bis August) mitzuscheren. Wie populär Schafschur in Wales und Großbritannien ist, hat die Beteiligung an den offenen Wettkämpfen gezeigt. Allein in den Anfänger- und Fortgeschrittenenklassen  (Junior und Intermediate) starteten über 120 Scherer. Geschoren wurde an allen 4 Tagen der Royal Welsh Show. Der Höhepunkt aber war die Weltmeisterschaft am Dienstag und Mittwoch. Zum Finale kamen über 2000 Zuschauer. Auf zwei Großbildschirm in der Halle und vor der Halle wurden die Bilder direkt übertragen so daß auch draußen vor der Halle noch über 500 Besucher die Wettkämpfe verfolgen konnten. Teilnehmer aus 28 Nationen starteten in den drei Disziplinen Scheren mit Maschine, Scheren mit Handschere (Blades) und Woolhandling. Die Maschinenscherer hatten ausschließlich Lämmer zu scheren. Keine leichte Aufgabe für jemanden, der sonst nur Schafe schert. So erging es auch unseren Teilnehmern Rainer Blümelhuber aus Bayern und Emanuel Gulde aus Baden-Württemberg. Beide scheren eben das ganze Jahr großrahmige Merinolandschafe und Bergschafe. Und die kleinen zappeligen Lämmer mit einem Gewicht teilweise unter 40 kg sind selbst den einheimischen Profischerern oft genug weggeflutscht. Aber Übung hin oder her, gegen die Elite aus Neuseeland, Australien und auch aus Wales ist kein Stich zumachen. Die schnellste Zeit im offenen Wettkampf der Profis waren 20 Lämmer in 10:27 Minuten. Aber die hat auch der „Schumi“ der Scherer, der 5malige Weltmeister David Fagan (im zarten Alter von 48 Jahren!) aus Neuseeland geschoren. Im Finale der WM hatte dann sein neuseeländischer Teamkollege Cam Ferguson die Nase vorn und wurde erstmals Weltmeister. Bei 51 Teilnehmern erreichte Emanuel Gulde den 22. und Rainer Blümelhuber den 30. Platz.

 

Woolhandling
Beim Woolhandling muß ein Teilnehmer an 2 Schurplätzen die Wolle wegräumen. Leider kennen das Geschäft in Deutschland viele nur noch aus der Erinnerung an bessere Zeiten bzw. Wollpreise. Die Bauchwolle kommt extra, schon währen der Schur werden Schmutz, Locken, Dreckwolle aus dem Vlies genommen und einzeln in Behältern sortiert. Das Vlies wird dann mit der Innenseite nach unten auf einem Tisch (mit Lattenrost) ausgeworfen. Dadurch fällt die letzte Schnippelwolle, die noch im Vlies hängt heraus. Das Vlies wird dann zu einer schönen festen Rolle zusammengewickelt. Die Elite kommt auch hier aus Neuseeland. Umsomehr haben sich die Walliser über den WM-Titel ihrer Teilnehmerin Bronwyn Tango gefreut. Sie verwies die neuseeländische Titelverteidigerin Sherree Alabaster auf den 2. Platz.
Erstmals startete Stefanie Kauschus für Deutschland bei der WM. Sie hat mehrere Jahre in Australien und Neuseeland gearbeitet. Seit 2 Jahren schert sie auch Schafe. Sie hat im Woolhandling dann auch einige Nationen hinter sich gelassen. Von 27 TeinehmerInnen errang sie den 17. Platz. Das ist die beste Endplatzierung, die je ein deutscher Teilnehmer bei den Golden Shears erreicht hat. Gemeinsam mit Ina Ritter, die zum 3. Mal dabei war plant der VDL-Arbeitskreis Schafschur, Schafwolle zur Deutschen Meisterschaft im August 2011 den ersten deutschen Wettbewerb im Woolhandling (ein deutscher Begriff wird noch gesucht). Die Teilnehme an der Weltmeisterschaft wird von der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände mit einem Betrag von 2.000 Euro bezuschußt. Weitere Sponsoren waren die Firmen Valtra und Agravis. Der VDL und den Sponsoren gilt unserer besonderer Dank. Alle Ergebnisse der Wettkämpfe stehen auf der Website der Royal Welsh Show: http://www.rwas.co.uk

Die Golden Shears waren auch diesmal wieder ein großes internationales Fest mit olympischem Charakter und ein Wiedersehen in der Familie der Schererzunft. Für Rainer Blümelhuber war es immerhin die sechste Teilnahme bei der Weltmeisterschaft. Da kennt man sich. Man schließt Freundschaften und möchte sich wiedersehen, bei den nächsten Golden Shears in Masterton, Neuseeland, vom 29.02. bis 03.03.2012.

M. Gertenbach